Manchmal geht es schneller als man denkt. Diese Erfahrung habe ich gerade selbst gemacht: Als Familie mussten wir möglichst zügig eine Entscheidung treffen, wie es mit den Eltern weitergeht, wo und wie sie angesichts zunehmender Altersfolgen künftig wohnen wollen und können.
Da musste einiges abgewogen und überlegt werden: Was ist zu Hause möglich, was müsste man umbauen oder verändern? Wer kann Ihnen wann und wie unterstützend zur Seite stehen, wieviel Pflege können wir tatsächlich leisten? - In solchen Momenten ist so Vieles zu bedenken und regeln, dass es eine große Hilfe ist, kann man manches einfach und schnell abhaken, weil man es bereits durchdacht und strukturiert hat, lange bevor es akut wurde. Wir haben uns leider, das muss ich gestehen, zu spät mit diesen Themen befasst.
Architekt Helmut Stahl, Lehrbeauftragter für barrierefreies Bauen an der Fachhochschule, kennt das Problem. Die meisten Menschen, sagt er, beschäftigen sich mit dem Thema Barrierefreiheit erst, wenn es im Grunde zu spät ist. Dann nämlich, wenn sie diese schon dringend benötigen, sagt der Architekt Helmut Stahl. Selbst viele Berufskollegen, bedauert er, würden kaum vorausdenken, zu wenig zukunftsorientiert planen. Auch aus dem Missverständnis heraus, Barrierefreiheit mit Rollstuhl-Gängigkeit gleichzusetzen. Auf einen Rollstuhl sind hingegen deutlich weniger Menschen angewiesen als Barrierefreiheit. Viel Aufwand, um unüberwindliche Hürden in Häusern, Wohnungen und öffentlichen Gebäuden zu beseitigen, ließe sich vermeiden, denkt man schon bei der Planung einen Schritt weiter, rät er.
Der Experte hat ganz konkrete Tipps für Bauherren jeden Alters, nach dem Motto: Gut geplant ist schon halb gespart. Das gilt insbesondere für das barrierefreie Bauen. Wer bereits bei der Planung Barrierefreiheit weitgehend mit einbezieht, spart später bares Geld. So sollte man Haltegriffe in Bad und WC zumindest einplanen, aber erst später nachrüsten (wenn die Pflegekassen dann die Kosten erstattet) oder genug Platz für den Rollator oder Geländer lassen. All das ist gleich zu bedenken ist immer billiger als später aufwändig umzubauen, Wände oder Bauteile versetzen zu müssen.
Ausreichend breite Flure (für Begegnungsverkehr), einfach unterscheidbare Etagen, deutlich erkennbare, trittsichere Treppenstufen ohne Unterstritt, Sicherheitsabstände zwischen Treppen und (Aufzug-)Türen, fühl- und tastbare Geländeübergänge oder durchgehende Handläufe nutzen nicht nur Rollstuhlfahrern oder Rollator-Nutzern. Auch Kindern, Menschen mit Sehbehinderungen oder schlicht jedermann, der dauerhaft oder zeitweise mit kleinen Einschränkungen zurechtkommen muss, erleichtern solche kleinen Hilfsmittel den Alltag. „Wichtig ist, alle Informationen möglichst über zwei Sinne mitzuteilen.“ Die Möglichkeiten, Informationen zu hören, zu fühlen oder zu sehen sollten also jeweils kombiniert sein.
Der wichtigste Schritt in Richtung Barrierefreiheit sei, das Thema überhaupt erstmal „in die Köpfe zu bekommen“, betont Stahl. Er arbeitet mit einem Trick, der meist durchschlagenden Erfolg hat: Er setzt seine Studenten zu Beginn des Semesters einen Tag selbst in den Rollstuhl. Bei einem Rund“gang“ – bei dem Aufstehen komplett verboten ist – müssen sie dann verschiedene Alltagsaufgaben lösen. Erlebnisse, die regelmäßig für ein langanhaltendes Aha-Erlebnis sorgen. Er selbst hat bei solchen Gelegenheiten auch einiges gelernt. Beispielsweise, dass im Rollstuhl drei Zentimeter Schwellenhöhe mehr – also fünf statt zwei Zentimeter - schon den Unterschied ausmachen, von „es geht allein“ oder „es geht nicht ohne fremde Hilfe.“
Wer Hilfsmittel frühzeitig einplant, aber sie erst bei Bedarf tatsächlich anschafft und einbaut, hat gute Chancen auf finanzielle Förderung. Fördergelder für notwendige Umbauten und Hilfsmittel erhalten Privatpersonen wenn die Fördervoraussetzungen vorliegen, der Arzt ihnen also eine entsprechende Einschränkung attestiert ist. Elisabeth Kahr, von der Pflegeberatung des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg, gibt nachvollziehbare, praktische Tipps, wie man an Fördergelder kommt. Bei Einstufung in einen Pflegegrad – egal welchen – erhalten Betroffene für Umbauten 4000 Euro von der Pflegekasse. Bei Vorliegen einer Schwerbehinderung (und unterhalb gewisser Einkommensgrenzen) gibt es zusätzlich 10.000 Euro vom Landratsamt Würzburg. Bis zu 6250 Euro Investitionskostenzuschuss für barrierefreien Umbau (oder den Kauf barrierefreien Wohnraums) können Betroffene außerdem bei der KfW-Bank beantragen.
Diese Fördermöglichkeiten stehen nicht nur Eigenheimbesitzern offen. Auch wer in einer Mietwohnung lebt, kann die Zuschüsse abgreifen. Der Vermieter muss der Wohnraumanpassung allerdings zustimmen. Im Bedarfsfall rät Kahr, zur Unterstützung die kostenfrei angebotene Pflege- und Wohnberatung zu nutzen.
Das wichtige Thema Barrierefreiheit viel stärker in den Fokus rücken und möglichst viele Menschen dafür sensibilisieren, möchten Ilse Hohmeier und die Arbeitsgemeinschaft Selbst aktiv für Menschen mit Behinderung der SPD im Landkreis Würzburg mit einer Veranstaltungsreihe. Gerne habe ich die Schirmherrschaft dafür übernommen.
Nach dem Start zum barrierefreien Bauen geht es am Samstag, 3. März, (14-18 Uhr) im Würzburger Hannsheinz-Bauer-Haus (Semmelstraße 46) weiter mit „Ist mein Ort barrierefrei?“. Dabei geben Mitglieder von Selbst aktiv all denen praktische Tipps, die bei Ortsrundgängen möglichst vielen Menschen sensibilisieren möchten.
Abgerundet wird die Seminarreihe mit den Themen
„Barrierefreies Internet“, Samstag, 28. April (14-18 Uhr) und
„Barrierefreie Jugendarbeit“, Samstag, 26. Mail (14-16 Uhr) mit David Krug von der Lebenshilfe).
Anmeldung bis spätestens eine Woche vor Veranstaltungsbeginn unter Tel. 0931 -51812 (Jutta Henzler); E -Mail: jutta.henzler@spd.de
Info zur Veranstaltungsreihe: Ilse Hohmeier, Tel: 0931-97437, E-Mail: ilse.hohmeier@selbstaktiv-bayern.de