Klare Kriterien der Verteidigungspolitik der SPD und deren schwieriges Umsetzen

08. August 2024

Diskussion mit Christoph Schmid auf meine Einladung

Sicherheits- und wehrpolitisch stehen Deutschland und Europa derzeit vor großen Herausforderungen. Welche Schwerpunkte die SPD-Bundestagsfraktion und Bundeskanzler Olaf Scholz setzen und was bezüglich der derzeit ausgesetzten Wehrpflicht geplant ist, darüber sprach ich mit dem Bundestagsabgeordneten Christoph Schmid, der u.a. Mitglied im Verteidigungsausschuss und in der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan“, stellvertretend im Auswärtigen Ausschuss und zuständig für die Luftwaffe ist.

Die 40 Gäste erfuhren, dass es bei der Verteidigungspolitik für Schmid ein grundlegendes Credo gibt: „Wir machen Verteidigungspolitik für die rund 83 Millionen Bürger Deutschlands und nicht nur für 182.000 Angehörige der Bundeswehr.“ Dabei ginge es nie um die vermeintliche Alternative Diplomatie oder Waffen, sondern immer um beides. Bei allen diplomatischen Bemühungen stehe an erster Stelle die Unterstützung der Ukraine gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Statt des immer wieder geforderten Kapitulationsfriedens brauche es Sicherheitsgarantien. Dass der ukrainische Präsident derzeit Verhandlungsbereitschaft gegenüber Russland signalisiere, bewertete Schmid als dessen Versuch, auszuloten, inwieweit er bei derartigen Verhandlungen überhaupt den Rückhalt der eigenen Bevölkerung habe.

Was schon bei Waffenlieferungen fraglich sei – etwa übergroße Transparenz über das was, wann, wie viel und wo – sei bei diplomatischen Bemühungen noch ungleich sensibler: „Diplomatie, die in der Boulevardpresse nachzulesen ist, funktioniert nicht“, wurde Schmid deutlich. Und wie die Geschichte zeige, scheitere Diplomatie manchmal schlicht an Waffengewalt. Auch Russland habe der Ukraine im Gegenzug zur Abgabe der Atomwaffen zugesichert, deren Staatsgebiet zu akzeptieren. Eine Zusage, die sich schon 2014 mit dem Überfall auf die Krim erledigt hatte.

Waffenlieferungen würden grundsätzlich drei vom Kanzler vorgegebenen Kriterien unterworfen: „Wir liefern das, was hilft, was uns selbst im Ernstfall nicht fehlen würde und nichts, was uns völkerrechtlich selbst in den Kriegsfall bringt.“ So klar, wie sich diese Definitionen lesen, so schwierig seien sie umzusetzen, so Schmid. Was helfe, müsse man immer wieder neu bewerten – und die eigene Sichtweise zudem mit den internationalen Partnern abstimmen. Gerade weil die Ukraine nicht Mitglied der Nato ist und daher kein Bündnisfall vorliege, sei ständiges Neubewerten der Situation gefordert.

Eine Rolle spiele zudem, welche Waffen man wo kaufe beziehungsweise produziere. Man bewege sich zwischen bedarfsorientiertem Einkaufen und Wirtschaftsförderung. „Wir handeln nach dem Motto: Zuerst kommt, was der Bundeswehr hilft, dann, was die Wirtschaft fördert.“ Und zwar nicht nur der in Deutschland, sondern auch von befreundeten Partnern.

Auch hier bewege man sich in einem Spannungsfeld: So wenig Sinn es mache, Waffen zu entwickeln, die man gut bei den Partnern ordern kann, so wichtig sei auf der anderen Seite, sich die Fähigkeit zu erhalten, notwendiges Equipment selbst zu produzieren. Das gehe weit über Waffenproduktion hinaus. Zur wirksamen Sicherheitspolitik gehöre auch soziale Sicherheit, Energie- sowie Cybersicherheit dazu. Wichtig für den Frieden im Land sei daher, Verteidigungsausgaben ohne soziale Schieflage zu meisten. Das erhöhe auch bei der Bevölkerung die Akzeptanz von Waffenlieferungen. In jedem Fall sei es wichtig, die nationalen Interessen bei allen Bundeswehreinsätzen klar zu kommunizieren.

Was die zum Erhalt der Wehrhaftigkeit – der Begriff „Kriegstauglichkeit“ sei missverständlich – notwendige personelle Aufstockung des Heers um rund 8000 Soldat*innen angehe, sei Freiwilligkeit mit entsprechenden Anreizen (Ausbildung, Studium, Führerschein etc.) seines Erachtens zielführender als eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Um das von Zuhörenden geforderte Pflichtjahr für alle einzuführen, müsse man das Grundgesetz ändern. „Und das ist in dieser Legislatur und auf die Schnelle gar nicht möglich“, erläuterte Schmid. Abschließend bedankte ich mich für die gute Diskussion bei aller Meinungsverschiedenheiten.

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