Landkreis SPD fordert Interkommunales Konzept für jüdische Erinnerungsorte
Einen umfassenden und überraschend lebendigen Einblick in das Leben der Landjuden rund um Würzburg, gab es bei der Kulturtour, zu der die LandkreisSPD mit mir als Vorsitzendem, eingeladen hatte. Expertin Dr. Martina Edelmann, Kulturreferentin und Leiterin des Jüdischen Museums in Veitshöchheim begleitete die Gruppe. Ihre Schilderungen der jüdischen Kultur, aber auch der spannenden Herausforderung des musealen Umgangs mit Zeugnissen jüdischer Geschichte und Gegenwart weckten großes Interesse bei allen Beteiligten.
So berichtete Edelmann von der „ersten bayerischen Obergrenze“, welche sich auf die Einführung des Matrikelparagraphen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bezieht, als Franken bayrisch wurde. Zwar wurde den Juden damit Religionsausübung und Gemeindebildung und weitere Rechte zugesichert. Allerdings waren diese rechtlichen Verbesserungen mit einer strengen zahlenmäßigen Begrenzung verbunden. Zur Kontrolle wurden die sogenannten Judenmatrikeln geführt. Erlaubt war in jedem Ort nur die Ansiedlung einer festgesetzten Anzahl jüdischer Familien. Außerdem erzählte Edelmann von den historischen jüdischen Kooperationen und Netzwerken sowie von den aufschlussreichen und längst nicht in Gänze erschlossenen Genisa-Funden in der Region. Diese in den Synagogendächern verborgenen, reichhaltigen Utensilien und Schriftstücke sind beredte Zeugen jüdischen Alltagslebens.
Am Beispiel der wieder aufgebauten Veitshöchheimer Synagoge verdeutlichte die Fachfrau ein Dilemma im Umgang mit jüdischer Geschichte. Das schmucke Haus erweckt den Eindruck sehr gut erhalten zu sein, obwohl auch sie in der Zeit des Nationalsozialismus zerschlagen und zweckentfremdet wurde. „Es ist natürlich wichtig, den Blick auch auf die komplette Geschichte eines Gebäudes zu werfen.“
Unterstützt wurde Edelmann an den weiteren Stationen der Tour – der Kreisgedenkstätte in Gaukönigshofen, dem jüdischen Friedhof Allersheim und der (noch) nicht wiederhergestellten Synagoge in Aub – von fachkundigen Ehrenamtlichen vor Ort. Gertraud Renner und Kreiskulturreferent Michael Dröse (Gaukönigshofen), Kreisarchivpflegerin Friederike Langeworth (Allersheim) sowie Georg Pfeuffer (ehrenamtlicher Museumsleiter), Johannes Wolf (Kulturbeauftragter) und Klaus Saliger (stellvertretender Bürgermeister) in Aub.
An all diesen Stationen stellen sich ähnliche, konzeptionelle Fragen. Es wäre dringend nötig, dass man, mit professioneller Unterstützung, ein interkommunales Konzept für den gesamten Landkreis entwickelt. Edelmann bestätigte: „Wir brauchen eine Zusammenarbeit, um die vorhandenen Spuren sichtbarer zu machen und ihre Inhalte zu vermitteln.“ Missverständnisse und Unwissenheit begleiteten die jüdische Minderheit über Jahrhunderte: Weil ihr der Zugang zu den Gilden verwehrt war, gab es weder jüdische Maurer noch Steinmetze. Und so bauten christliche Handwerker Synagogen nach dem Vorbild christlicher Kirche und Inschriften auf Grabsteinen enthalten unleserliche Phantasie-Zeichen, weil die Steinmetze kein Hebräisch konnten.
Tatsächlich, das klang immer wieder an, sind viele Facetten jüdischer Geschichte in Deutschland noch nahezu unerforscht. So ist es beispielsweise ein Rätsel, wie Betroffene es in mittelalterlichen Zeiten schafften ihre Verstorbenen wie vorgeschrieben „innerhalb eines Tages“ zu den oft weit auseinanderliegenden Friedhöfen zu bringen (beispielsweise von Grünsfeld oder Segnitz nach Allersheim). Unbelegt ist auch die – anhand einiger Zeugnisse- naheliegend Vermutung, die jüdische Gemeinde Aub könnte bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen und damit eine der ältesten jüdischen Gemeinden Bayerns sein.