Vor allem Kinder im Ankerzentrum brauchen mehr Normalität! - Ein Besuch in Geldersheim

Im Bild die Räume der Kinderbetreuung im Ankerzentrum (von links): Volkmar Halbleib, Maria-Antonetta Graber, Julia Stürmer-Hawlitschek, Astrid Glos, Benjamin Kraus und Yener Yildirim.

19. November 2019

Zum ersten Jahrestag der Ankerzentren in Bayern, beschäftigte sich der Landtag in einer Anhörung mit der neuen Zentralisierung für die Erstunterbringung von Menschen auf der Flucht. Dabei gingen die Meinungen der Regierungsexperten und den Engagierten in der Flüchtlingshilfe weit auseinander. Während die einen beschleunigte Verfahren und gute Zusammenarbeit aller Beteiligten lobten, kritisierten die anderen die oftmals viel zu lange Aufenthaltsdauer, fehlende Privatsphäre, krankmachende Lebensbedingungen sowie die mangelhafte unabhängige Verfahrensberatung.

Für mich ein Anlass, mir im unterfränkischen Ankerzentrum Geldersheim mit seinen derzeit 700 derzeit untergebrachten Asylbewerbern selbst ein Bild von der Situation zu machen. Begleitet wurde ich bei meinem Informationsbesuch von der Kitzinger Integrationsbeauftragten Astrid Glos (SPD) und der Schweinfurter SPD-Vorsitzenden Julia Stürmer-Hawlitschek.

Gelegenheit zu kritischen Fragen

Beim Rundgang mit Maria-Antonette Graber, Sachgebietsleiterin Flüchtlingsbetreuung und Integration der Regierung von Unterfranken, Regierungsrat Benjamin Kraus, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZA) Unterfranken und dem stellvertretenden Leiter des Ankerzentrums Yener Yildirim nutzte ich die Gelegenheit für kritische Fragen, die auch bei der Landtagsanhörung im Mittelpunkt standen. Im Hinblick auf die angemahnte Höchstverweildauer, betonten Graber und Yildirim -, dass man streng darauf achte, dass Familien nicht länger als sechs Monate in der Massenunterkunft blieben. Besonderen Schutz für allein reisende Frauen mit und ohne Kinder biete zudem das eigene „Frauenhaus“ auf dem Gelände.

Wir erfuhren auch, dass das eigentliche Ziel, alle für Asylbewerber notwendige Behörden an einem Ort zu vereinen, derzeit nicht gewährleistet ist. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Zentrale Ausländerbehörde seien noch in der Stadt untergebracht. Allerdings erleichtere die räumliche Nähe der behördlichen Stellen die notwendige Zusammenarbeit erheblich, so Graber und Kraus. Für die Behörden sei dies jedoch eine Mammutaufgabe angesichts von 24.000 behördlicher Vorsprachen von Asylbewerbern in Schweinfurt und zusätzlichen 8.000 in Würzburg innerhalb eines Jahres.

Engagement von Caritas und Diakonie lobenswert

Positiv würdigte ich das Engagement von Caritas als auch Diakonie in Geldersheim mit insgesamt sechs eigenen Flüchtlingsberaterinnen und -beratern vor Ort. Die ebenfalls von den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden ehrenamtlich betriebene, nachmittägliche Kinderbetreuung und ein niederschwelliges Treffpunkt-Café ergänzen das Angebot. Eine bayernweite Besonderheit sei das Engagement des St. Josefs-Krankenhaus für die medizinische und psychologische Betreuung der Asylbewerber. Der Schulunterricht für Grund-, Mittel- und Berufsschule findet im Ankerzentrum statt, organisatorisch angedockt als Außenstellen der Ortsschulen.

Keinen Unterricht "hinter Zäunen"

So gut ich es finde, dass regulärer Unterricht stattfindet, kann ich mich nur schwer mit dem Umstand abfinden, dass Kinder ausschließlich „hinter Zäunen“ aufwachsen: Ich glaube gerade für die Kinder ist es wichtig, mit dem Schulbesuch die Gemeinschaftsunterkunft regelmäßig verlassen zu können und so ein Stück Normalität zu erleben. Überhaupt sehe ich Nachholbedarf bei den Beschäftigungsmöglichkeiten im tristen Kasernenumfeld.

Denn auch wenn Flüchtlinge und Familien das Ankerzentrum Geldersheim bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 136 Tagen nach wenigen Monaten wieder verlassen können, gibt es auch Menschen, die über zwei Jahre dortbleiben müssen. In der außerhalb gelegenen Massenunterkunft bleibt der Kontakt der Bewohner doch weitgehend begrenzt und führt zur Isolation. Solche Tatsachen und die besseren Chance für Integration sprechen für mich nach wie vor eher für die dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen.

Integrationspolitisches #Ortsterminliches

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